Dienstbarkeits-Bereinigungsverfahren (DBV)

Das Dienstbarkeits-Bereinigungsverfahren (DBV) ist ein aussergerichtliches Schlichtungsverfahren, welches von Sacha Vallati im Rahmen seiner Dissertation "Dienstbarkeiten und Bauvorhaben" entwickelt wurde. Es soll den Anstoss zu einer lösungsorientierten Diskussion für eine zukünftige Verminderung von Dienstbarkeitsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Bauvorhaben geben. Das DBV könnte de lege ferenda in die kantonalen Baubewilligungsverfahren integriert werden, um sämtlichen Dienstbarkeiten, die mit dem Baugrundstück verbunden sind, die erforderliche Aufmerksamkeit zu schenken - alles unter Einhaltung des Dualismusgrundsatzes bzw. der getrennten Verwaltungs- und Zivilrechtswege. Kern des Verfahrens ist eine Einigungsverhandlung für Bauherren und dienstbarkeitsberechtigte oder -belastete Dritte, welche unter aktiver Mitwirkung der kommunalen Baubehörden stattfinden soll. Durch eine frühzeitige aussergerichtliche Einigung zwischen den Streitparteien in Form einer Einigungsvereinbarung könnten spätere Verwaltungs- und Zivilprozesse verhindert und damit die Prozessökonomie verbessert werden. Der dadurch entstehende Mehraufwand für Baubehörden würde durch einen Minderaufwand der Gerichtsbehörden um ein Mehrfaches kompensiert. Eine graphische Darstellung des DBV sowie zwei Einigungsvereinbarungen in Formularform stehen Ihnen unterhalb zum Download bereit.

Genauere Informationen über den Verfahrensablauf erfahren Sie in: SACHA VALLATI, Dienstbarkeiten im Baubewilligungsverfahren - gängige Praxis und mögliche Optimierung (BR/DC 4/2021) sowie ausführlich in SACHA VALLATI, Dienstbarkeiten und Bauvorhaben, S. 261 ff.

 


Dienstbarkeits-Bereinigungsverfahren (Vorschlag de lege ferenda)

Graphische Darstellung
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Einigungsvereinbarung Formular I

für Baugesuchsteller und dienstbarkeitsbelastete Dritte
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Einigungsvereinbarung Formular II

für Baugesuchsteller und dienstbarkeitsberechtigte Dritte
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Erforderliche Gesetzesänderung am Beispiel Kanton Zürich:

Planungs- und Baugesetz (PBG ZH)

2. Abschnitt: Das baurechtliche Verfahren / A. Das Baugesuch

bisher und weiterhin unverändert:

Vorprüfung

§ 313.

1 Die örtliche Baubehörde prüft vorweg, ob die Unterlagen und die Aussteckungen den Vorschriften entsprechen und für den Entscheid ausreichen; andernfalls ordnet sie innert drei Wochen seit Einreichung des Gesuchs die Änderung oder Ergänzung an.

2 Weigert sich der Gesuchsteller, die Unterlagen anzupassen, kann die örtliche Baubehörde die Anhandnahme des Baugesuchs ablehnen.

3 Sinngemäss verfahren andere Instanzen, die für baurechtliche Bewilligungen zuständig sind.

4 Die Änderung oder Ergänzung der Gesuchsunterlagen und Aussteckungen kann ausnahmsweise auch noch später verlangt werden.

neu:

Vorprüfung von Dienstbarkeiten

313 a.

1 Die örtliche Baubehörde prüft zudem, ob die Dienstbarkeiten mit öffentlich-rechtlicher Relevanz, welche für die Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens erforderlich sind, vorliegen und ob durch das Bauvorhaben möglicher­weise Dienstbarkeiten mit oder ohne öffentlich-rechtliche Relevanz verletzt oder überschritten werden.

2 Bei fehlenden, möglicherweise unzureichenden oder unklaren Dienstbarkeiten mit öffentlich-rechtlicher Relevanz, welche für die Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens erforderlich sind, und bei möglichen Verletzungen oder Überschreitungen von Dienstbarkeiten mit oder ohne öffentlich-rechtliche Relevanz wird das Verfahren sistiert und vor der Bekanntmachung ein Dienstbarkeits-Bereinigungsverfahren durch­ge­führt.

 

Dienstbarkeits-Bereinigungsverfahren

§ 313 b.

1 Mit der Sistierung des Verfahrens setzt die örtliche Baubehörde dem Gesuchsteller eine Frist von 20 Tagen, damit er sich mit den dienstbarkeitsberechtigten oder -belasteten Dritten einigen und eine entsprechende schriftliche Einigungsvereinbarung vorlegen kann.

2 Erzielen die Parteien innert angesetzter Frist keine Einigung, wird eine Einigungsverhandlung unter Mitwirkung der örtlichen Baubehörde durchgeführt.

3 Kann an der Einigungsverhandlung keine Einigung erzielt werden, setzt die örtliche Baubehörde den Parteien eine Frist von 30 Tagen zur Erhebung einer Zivilklage.

4 Die örtliche Baubehörde entscheidet wie folgt über das Baugesuch und den weiteren Verlauf des Verfahrens:

a. Das Verfahren wird dienstbarkeitsbereinigt fortgeführt, wenn durch das Bauvorhaben gemäss Zivilurteil keine Dienstbarkeiten mit oder ohne öffentlich-rechtliche Relevanz i.S.v. Art. 739 ZGB mehrbelastet oder nach Art. 737 Abs. 3 ZGB verletzt werden.

b. Die Baubewilligung wird verweigert, wenn durch das Bauvorhaben gemäss Zivilurteil Dienstbarkeiten mit öffentlich-rechtlicher Relevanz i.S.v. Art. 739 ZGB mehrbelastet oder nach Art. 737 Abs. 3 ZGB verletzt werden oder wenn bei solchen Dienstbarkeiten eine Zivilklage innert angesetzter Frist ausgeblieben ist.

c. Das Verfahren wird auf Antrag des Gesuchstellers unbereinigt fortgeführt, wenn durch das Bauvorhaben gemäss Zivilurteil Dienst­barkeiten ohne öffentlich-rechtliche Relevanz i.S.v. Art. 739 ZGB mehrbelastet oder nach Art. 737 Abs. 3 ZGB verletzt werden oder wenn bei solchen Dienstbarkeiten eine Zivilklage innert angesetzter Frist ausgeblieben ist.

 

Bauverfahrensverordnung (BVV ZH)

III. Baugesuch / Gesuchsunterlagen

bisher und weiterhin unverändert:

B. Weitere Unterlagen

§ 5. Je nach Art und Lage des Bauvorhabens sind ferner erforderlich:

a. Grundbuchauszüge über die von der Baueingabe erfassten Grundstücke und Grundstücksteile,

neu:

abis. Dienstbarkeitsverträge (Servitutenprotokolle),

 

neu:

IVa. Dienstbarkeits-Bereinigungsverfahren

Vorprüfung von Dienstbarkeiten

§ 11 a.

1 Das örtliche Bauamt prüft summarisch, ob die Dienstbarkeiten mit öffentlich-rechtlicher Relevanz, welche für die Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens erforderlich sind, vorliegen und ob durch das Bauvorhaben möglicherweise Dienstbarkeiten mit oder ohne öffentlich-rechtliche Relevanz zugunsten Dritter verletzt oder (Über-)Baurechts-Dienstbarkeiten zugunsten des Gesuchstellers überschritten werden.

2 Stellt das örtliche Bauamt fehlende, möglicherweise unzureichende oder unklare Dienstbarkeiten mit öffentlich-rechtlicher Relevanz, welche für die Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens erforderliche sich, fest oder dass durch das Bauvorhaben möglicherweise Dienstbarkeiten mit oder ohne öffentlich-rechtliche Relevanz zugunsten Dritter verletzt oder (Über-)Baurechts-Dienstbarkeiten zugunsten des Gesuchstellers überschritten werden, wird vor der Bekanntmachung ein Dienstbarkeits-Bereinigungsverfahren durchgeführt.

 

Sistierung des Verfahrens und Fristansetzung zur Einigung

§ 11 b.

1 Bei Feststellung von möglicherweise unzureichenden, verletzten oder überschrittenen Dienstbarkeiten i.S.v. § 11 a. Abs. 2 sistiert das örtliche Bauamt das Verfahren.

2 Mit der Sistierung des Verfahrens setzt das örtliche Bauamt dem Gesuchsteller eine Frist von 20 Tagen, damit er sich mit den dienstbarkeitsberechtigten oder -belasteten Dritten einigen und eine entsprechende schriftliche Einigungsvereinbarung vorlegen kann.

3 Nach Eingang einer schriftlichen Einigungsvereinbarung wird das ordentliche Verfahren umgehend fortgesetzt.

 

Einigungsverhandlung

§ 11 c.

1 Verstreicht die angesetzte Frist ungenutzt, lädt das örtliche Bauamt den Gesuchsteller und die betroffenen Dritten zu einer Einigungsverhandlung ein. An dieser wirkt das örtliche Bauamt verhandlungsführend, beratend und schlichtend mit.

2 Auf Begehren des Gesuchstellers kann sofort zu einer Einigungsverhandlung eingeladen werden.

3 Kann an der Einigungsverhandlung oder im Anschluss daran innert angesetzter Frist zwischen den Parteien eine schriftliche Einigungsvereinbarung abgeschlossen werden, welche eine baurechts- und dienstbarkeitskonforme Realisierung des Bauvorhabens ermöglicht, wird das ordentliche Verfahren umgehend dienstbarkeits­bereinigt fortgesetzt.

 

Fristansetzung zur Zivilklage

§ 11 d. 1

Kann keine Einigung in Form einer schriftlichen Einigungsvereinbarung erzielt werden, setzt das örtliche Bauamt den Parteien eine Frist von 30 Tagen zur Erhebung einer Zivilklage.

2 Die Parteien haben das örtliche Bauamt umgehend über hängige Zivilklagen zu informieren. Zivilurteile sind dem örtlichen Bauamt sofort nach Eintritt der Rechtskraft vorzulegen.

 

Bereinigte Fortführung des Verfahrens

§ 11 e.

Das ordentliche Verfahren wird dienstbarkeitsbereinigt fortgeführt, wenn aus einem rechtskräftigen Zivilurteil Folgendes hervorgeht:

a. Bei Dienstbarkeiten mit öffentlich-rechtlicher Relevanz, welche für die Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens erforderlich sind, wird durch das Bauvorhaben keine unzulässige Mehrbelastung der Dienstbarkeit i.S.v. Art. 739 ZGB verursacht.

b. Bei Dienstbarkeiten mit oder ohne öffentlich-rechtliche Relevanz zugunsten Dritter wird durch das Bauvorhaben keine Verletzung der Dienstbarkeit i.S.v. Art. 737 Abs. 3 ZGB verursacht.

c. Bei (Über-)Baurechts-Dienstbarkeiten zugunsten des Gesuchstellers wird durch das Bauvorhaben keine unzulässige Mehrbelastung der Dienstbarkeit i.S.v. Art. 739 ZGB verursacht.

 

Bauverweigerung

§ 11 f.

1 Die Baubewilligung ist zu verweigern, wenn aus einem rechts­kräftigen Zivilurteil ein zivilrechtliches Bauverbot bzw. Folgendes hervorgeht:

a. Bei Dienstbarkeiten mit öffentlich-rechtlicher Relevanz, welche für die Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens erforderlich sind, wird durch das Bauvorhaben eine unzulässige Mehrbelastung der Dienstbarkeit i.S.v. Art. 739 ZGB verursacht.

b. Bei Dienstbarkeiten mit öffentlich-rechtlicher Relevanz zugunsten Dritter wird durch das Bauvorhaben eine Verletzung der Dienstbarkeit i.S.v. Art. 737 Abs. 3 ZGB verursacht.

2 Die Baubewilligung ist ausserdem zu verweigern, wenn bei Vorliegen solcher Dienstbarkeiten innert angesetzter Frist gemäss § 11 d keine Zivilklage erhoben wurde.

 

Unbereinigte Fortführung des Verfahrens

§ 11 g.

1 Bei Dienstbarkeiten ohne öffentlich-rechtliche Relevanz kann das Verfahren auf Antrag des Gesuchstellers unbereinigt fortgeführt werden.

2 Nach Vorliegen eines rechtskräftigen Zivilurteils wird dem Gesuchsteller eine Frist von 10 Tagen für den Antrag auf Fortführung des Verfahrens angesetzt. Verstreicht diese Frist ungenutzt, gilt dies als Rückzug des Baugesuches.

3 Auf Antrag des Gesuchstellers wird das Verfahren unbereinigt fortgeführt, wenn aus dem Zivilurteil ein zivilrechtliches Bauverbot bzw. Folgendes hervorgeht:

a. Bei Dienstbarkeiten zugunsten Dritter, die nicht von öffentlich-rechtlicher Relevanz sind, wird durch das Bauvorhaben eine Verletzung der Dienstbarkeit i.S.v. Art. 737 Abs. 3 ZGB verursacht.

b. Bei (Über-)Baurechts-Dienstbarkeiten zugunsten des Gesuchstellers wird durch das Bauvorhaben eine unzulässige Mehrbelastung der Dienstbarkeit i.S.v. Art. 739 ZGB verursacht.

4 Auf Antrag des Gesuchstellers wird das Verfahren ausserdem unbereinigt fortgeführt, wenn bei solchen Dienstbarkeiten innert angesetzter Frist gemäss § 11 d keine Zivilklage erhoben wurde.

5 Im Falle einer unbereinigten Fortführung des Verfahrens ist der Gesuchsteller im Bauentscheid auf das zivilrechtliche Bauverbot bzw. den zivilrechtlichen Vorbehalt hinzuweisen.

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